Geschichte

Aus der Geschichte von Kirchenlamitz - Werner Bergmann

Über den alten Schiedapass bei Fahrenbühl gelangten um 600-630 n. Chr. slawische Siedler vom Stamm der Sorben in das Tal zwischen Kornberg und Epprechtstein. In ihrer Sprache nannten sie es „Lomnitz“ (sumpfiger Wiesengrund). Sie lebten vom Ackerbau und der Bienenzucht (Waldzeidelei).

Etwa 550 Jahre später (um 1150) erreichten fränkische Siedler das „Lomnitz“-Tal. Mit ihnen kam das Christentum. Der Ort, an welchem die Leute um die „Kirche“ herum im „sumpfigen Wiesengrund“ wohnten, erhielt später um die Mitte des 13. Jahrhunderts den Namen „Kirchenlomnitz“, wurde aber erst 1356 urkundlich genannt.

Zeitgleich mit den Franken gelangten von Süden her die Bayern im Rahmen ihrer Landnahme in das Fichtelgebirge. Das erklärt, warum nur wenige Kilometer weiter südlich das Wunsiedler Bayerisch, hier aber das Kirchenlamitzer Fränkisch gesprochen wird. Diese Sprachgrenze war zugleich auch eine politische Grenze.

 burg epprechtsteinDie Burgruine Epprechtstein um 1795. Kolorierter Kupferstich aus J.T.B.
Helfrecht: "Ruinen, Altertümer und noch stehende Schlösser auf dem Fichtelgebirge", Hof 1795.

 

Die Burg Epprechtstein und das Dorf Kirchenlamitz bildeten schon bei ihrer Gründung wirtschaftlich eine Einheit. Ihre Herrschaftsverhältnisse führten von den Andechs-Meraniern (um 1150-1248) über die Vögte von Weida (1248-1352/56) zu den fränkischen Zollern (1352/56-1791), die im Jahr 1374 dem Ort Kirchenlamitz mit seinen etwa 300 Einwohnern durch den Burggrafen Friedrich V. von Nürnberg stadtrechliche Privilegien nach Wunsiedler Vorbild verliehen. Eine „Civitas“ – eine Stadt – war Kirchenlamitz indes nie. Kirchenlamitz besaß keine Stadtmauer, sondern nur drei Stadttore. Die stadtrechtlichen Privilegien wurden wiederholt bestätigt. In alten Urkunden allerdings ist Kirchenlamitz bis 1901, wo es wirkliches bayerisches Stadtrecht erhielt, immer als Markt genannt.

Ausschließlich durch Kauf erwarben die Burggrafen von Nürnberg das Innere des Fichtelgebirgshufeisens und teilten es zunächst in sechs Verwaltungsbezirke (Ämter) ein. Zusammen mit Weißenstadt, Thierstein, Selb, Hohenberg und Wunsiedel wurde das Amt Kirchenlamitz im Jahr 1613 zur Amtshauptmanschaft Wunsiedel vereinigt.

kirchenlomniczSchriftzug "zu Kirchenlomnicz" aus der Stadtrechtsurkunde von 1374

 

Wirtschaftlich bedeutend waren die 1356 erstmals genannten Zinnbergwerke im Norden von Kirchenlamitz. Ihr Niedergang führte zu einer sozialen Katastrophe, zudem zerstörten am Ende des Mittelalters im Jahr 1430 Hussiten die Stadt.
Im 2. Markgräflerkrieg wurde 1553 die Burg Epprechtstein abgebrannt. Es war dies der gleiche grausame Krieg, der aus einem Religionskrieg heraus entstanden war, in dem die Plassenburg zerstört und Hof belagert wurde. Überhaupt wurden in dieser Zeit in Franken 170 Dörfer und 90 Burgen völlig verwüstet. Fortan blieb die Burg „in Ruinen liegen“.

Die Verwaltung des Amtes Kirchenlamitz geschah nun ausschließlich vom 1371 erstmals erwähnten Stadtschloss aus.
Im Jahr 1508 wurde nach 14jähriger Bauzeit die Stadtkirche fertiggestellt und sieben Jahre später kauften Bürgermeister Zimmermann und der Rat auf Befehl des Amtmanns Kunz Rabensteiner um 76 fl. ein Rathaus.
Markgraf Georg der Fromme (1527-1541) vollendete im Jahr 1533 die fünf Jahre zuvor begonnenen Reformationsbestrebungen und verordnet seinen „Landeskindern“ die evangelische Kirchenlehre. Der erste nachgewiesene evangelische Pfarrer in Kirchenlamitz war Johann Schneidewind.
1586 erteilte Markgraf Georg Friedrich (1557-1603), dessen Wappen sich im Kirchenschiff an der Turmwand befindet, den hiesigen Bäckern ihren ersten Zunftbrief. Bedeutung erlangten die Mühlen, von denen die „Mittelmühle“ 1517 und die „Hasenmühle“ 1607 erstmals erwähnt werden.

 

siegel metzgerzunftDas Siegel der Metzgerzunft im Markt Kirchenlamitz trägt die Umschrift:
S[igillum] E[ines] EH[rbaren] H[and]W[erks] D[er] FLEISCH[h]ACKER IN MARCK KIRCHENLAMITZ

 

Im Gefolge des „Großen Krieges“ (1618-1648) forderte die Pest im Jahr 1633 allein in Kirchenlamitz 42 Menschenleben. Sieben Jahre später steckten die Kroaten sieben Häuser und das Rathaus in Brand. Im darauffolgenden Jahr plünderten schwedische Truppen die Kirche. 1643 standen 60 Häuser leer oder waren ganz eingefallen.

Bunt war die Vielfalt der Handwerksbetriebe als sich stetig wandelndes Spiegelbild ihrer Zeit: Bäcker, Büttner, Drechsler, Färber, Flaschner, Gerber, Glaser, Lebküchner, Metzger, Nagelschmiede, Schneider, Schreiner, Schuhmacher, Töpfer, Wagner und Weber standen über Jahrhunderte hinweg in hoher Blüte.

Nach dem Übergang an Preußen (1792) besuchten König Friedrich Wilhelm III., unser damaliger Landesherr, und seine Gemahlin, Königin Luise, im Jahr 1805 das Fichtelgebirge und den Epprechtstein.
Im darauffolgenden Jahr besetzte Napoleon die Provinz Bayreuth und stellte sie unter französische Verwaltung.

Preußen verlor bei Jena und Auerstedt, Napoleon zog als Sieger in Berlin ein. Das preußische Königspaar floh nach Ostpreußen. Luise starb 1810, erst 34jährig in ihrer mecklenburgischen Heimat. Für sie war demnach der Besuch auf dem Epprechtstein „die letzte frohe Zeit auf Erden“ gewesen.

 

koenigin luiseKönigin Luise und König Friedrich Wilhelm III.

 

11810 kam Kirchenlamitz zur Krone Bayern und wurde bereits zwei Jahre später Landgerichtsbezirk.
1830 und 1836 zerstörten zwei verheerende Großbrände den Ort nahezu vollständig.
1849 wurde aus den Pfarreien Kirchenlamitz, Marktleuthen, Röslau, Schönwald, Selb, Spielberg und Weißenstadt der Dekanatsbezirk Kirchenlamitz gebildet.

Das Biedermeier (1815-1848) ist die Zeit Wilhelm Löhes (1808-1872), der 1831 als Vikar nach Kirchenlamitz kam, Dr. Gustav Blumröders (1802-1853), des heute noch gelesenen Schriftstellers und Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 und des Apothekers Dr. Hugo Reinsch (1808-1884).

1870 gründete sich die Freiwillige Feuerwehr und 1892 erschien die erste Ausgabe des „Kirchenlamitzer Anzeigers“. Im gleichen Jahr wurde eine „Kleinkinderbewahranstalt“ errichtet und drei Jahre später konnte die neue Friedhofskirche eingeweiht werden.

holzstichKirchenlamitz im Jahr 1895. Ausschnitt eines Holzstiches von Karl Dietrich

 

ansichtskarteDer Ausschnitt einer alten Ansichtskarte zeigt Kirchenlamitz um 1897 aus der Vogelschau

 

Nach 1870 begann mit dem Bau der Eisenbahn die eigentliche Entwicklung der Granitindustrie des Fichtelgebirges. Rund um den Epprechtstein entstanden so im Laufe der Zeit 20 Granit-Steinbrüche, unter ihnen der über viele Jahrzehnte weithin sichtbare Schlossbrunnenbruch an der Ostseite des Berges. 1897 beschäftigten die fünf Kirchenlamitzer Steinmetzbetriebe rund 450 Arbeiter. Nach einer leichten Flaute erlebte die Granitindustrie in der Zeit von 1933-1939 eine erneute Hochkonjunktur. Nach dem 2. Weltkrieg verlor sie dann endgültig - weil zu kostenintensiv und durch andere Baustoffe ersetzt - ihre große Bedeutung.
15 Jahre vor Inbetriebnahme des elektrischen Lichtes wurde 1898 bereits der Telefondienst in Kirchenlamitz aufgenommen.

Bei der feierlichen Eröffnung der Fichtelgebirgsbahn fuhren 1899 Magistrat und Gemeindekollegium im schwarzen Anzug und gesondertem Wagen „auf Weißenstadt“. In einem zweiten Wagen war die Kirchenlamitzer Stadtkapelle untergebracht, die bis Weißenstadt ihre fröhlichen Weisen erklingen ließ. Die Lokomotive war mit einem Kranz rot gesottener Krebse behangen, als Geschenk für Weißenstadt.

1901 verlegte man das königl. Forstamt von Martinlamitz nach Kirchenlamitz.
1911 wurde das „Zentralschulhaus“ an der Schulstraße seiner Bestimmung übergeben und 1921 die Porzellanfabrik Oscar Schaller & Co. gegründet. Der Aufschwung der Porzellanindustrie in Kirchenlamitz begann. Sie beeinflusste für die nächsten 80 Jahre das Wirtschaftsleben in Kirchenlamitz maßgeblich.
1926 wurde ein neues Postdienstgebäude errichtet und zwei Jahre später an der Schlossstraße das durch eine hochherzige Stiftung des Privatiers Wilhelm Wilfert (1868-1933, Granitwerksbesitzer u. Ehrenbürger) eingerichtete Krankenhaus eröffnet.

Beschuss und Besetzung der Stadt durch amerikanische Truppen forderten 1945 auf deutscher Seite insgesamt 37 Todesopfer. 84 Wohnhäuser, Gewerbebetriebe und Scheunen waren zerstört, darunter auch das Rathaus.
1978 wurden die ehemals selbständigen Gemeinden Dörflas bei Kirchenlamitz, Niederlamitz, Raumetengrün und Reicholdsgrün im Zuge der Gemeindegebietsreform in die Stadt Kirchenlamitz eingemeindet, deren Einwohnerzahl sich dadurch um über 1600 Mitbürger erhöht und deren Fläche sich um mehr als das 3-fache vergrößert.

Viele Vereine und Organisationen unterschiedlichster Coleur prägen heute das gesellschaftliche Bild der Stadt Kirchenlamitz, die mit ca. 3300 Einwohnern zusammen mit Marktleuthen, Röslau und Weißenstadt ein erweitertes Unterzentrum bildet.